Nach der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses „Hanau“ (UNA 20/2) des Hessischen Landtags sieht Heike Hofmann, SPD-Obfrau im UNA 20/2 und innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, dringenden Bedarf an einer Verbesserung und Professionalisierung der bestehenden Polizeikonzepte zum Umgang mit Opfern und Angehörigen von Gewalttaten. Die jüngsten Zeugenaussagen hätten deutlich gemacht, dass es in der Praxis erhebliche Defizite bei der Opfer- und Angehörigenbetreuung gebe.
Heike Hofmann sagte am Montag in Wiesbaden:
„In der Nacht des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020 haben es einige der eingesetzten Polizeikräfte offensichtlich an der erforderlichen Sensibilität im Umgang mit Opfern und Augenzeugen der Bluttat fehlen lassen. So erhielten Betroffene, die durch das grausame Geschehen unter Schock standen, von der Polizei Gefährderansprachen statt menschlicher Hilfe. Und auch in der Zeit danach warteten diejenigen, die mit dem Leben davongekommen waren, lange – vielfach zu lange – auf Unterstützung.
Betroffenheit unter den Ausschussmitgliedern hat die Aussage von Piter M. ausgelöst, der den Terroranschlag als Augenzeuge überlebte: Er hat dem Ausschuss heute eindrücklich geschildert, wie er in der Tatnacht von Polizeibeamten aufgefordert wurde, zu Fuß zur rund vier Kilometer entfernten Polizeistation zu gehen – trotz seines Schockzustands und trotz einer zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklaren Gefahrenlage in der Stadt. Auch er erhielt als traumatisierter Augenzeuge des Anschlags eine Gefährderansprache, während ihn erste Angebote zur Unterstützung erst Monate nach der Tat erreichten.
Und Piter M. ist nicht der Einzige, der beklagt, dass die Hilfsangebote von staatlicher Seite zu spät kamen. Angehörige und Opfer wurden in den entscheidenden Tagen nach dem Attentat mit dem Erlebten, mit dem Schock und der Trauer alleine gelassen. Durch unsensible und vor allem ungerechtfertigte Gefährderansprachen wurde Überlebenden und Angehörigen der Opfer das Gefühl vermittelt, sie stünden selbst im Verdacht krimineller Taten. Die Betroffenen haben einen absoluten Albtraum durchlitten, der ihr Leid noch verstärkt hat.
Wir fordern, dass die Konzepte für den Umgang mit Augenzeugen, Opfern und Angehörigen überarbeitet und dass alle Beamtinnen und Beamten der hessischen Polizei gründlich für den richtigen Umgang mit den Betroffenen von Gewalttaten sensibilisiert werden. Ich habe vollstes Verständnis für die erheblichen psychischen und physischen Belastungen, denen die Polizei bei unübersichtlichen Großlagen wie seinerzeit in Hanau ausgesetzt ist. Aber es gehört zu einer professionellen Polizeiarbeit, gerade in solchen Situationen richtig mit den Beteiligten umzugehen.“