

Die Riege der Ehrengäste konnte sich sehen lassen am vergangenen Samstag in der Mehrzweckhalle Krofdorf-Gleiberg. Hierher hatte die SPD Wettenberg geladen, um 3×110 Jahre Bestehen zu feiern. Für jeden der ehemaligen drei Ortsvereine einmal. Besonders freuten die Genossinnen und Genossen sich, dass Franz Müntefering ihrer Einladung gefolgt war und die Festrede übernahm. Aber auch Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel ließ es sich nicht nehmen, ein sehr persönliches Grußwort zu sprechen. Darüber hinaus freute man sich über Dagmar Schmidt MdB und Gerhard Merz MdL.
Gäste aus dem ganzen Kreis hatten ihren Weg in die Mehrzweckhalle gefunden und verbrachten auch Dank der musikalischen Untermalung durch die Brass Band Wettenberg und den Service des Teams der Turnhallengaststätte einen schönen, aber auch interessanten Nachmittag.
Mit einer kurzen Begrüßung eröffnet wurde der Festakt vom Ortsvereinsvorsitzenden Ralf Volgmann, der außerdem erläuterte, dass zumindest die ehemaligen Ortsvereine Krofdorf und Gleiberg vermutlich älter als 110 Jahre seien, da di Aufzeichnung von Februar 1906 einen gemeinsamen Kassensturz belegen, nach dem die Ortsvereine fortan zusammen gehörten. Ein vorheriges Gründungsdatum sei also wahrscheinlich, allerdings fehlten die schriftlichen Belege.
Daran an schloss sich Bürgermeister Thomas Brunner, der darstellte, wie Wettenberg unter sozialdemokratischer Führung florierte und floriert und zukünftige Herausforderungen und Ziele skizzierte.
Sehr persönlich war das Grußwort von Thorsten Schäfer-Gümbel, der sich an die Unterstützung erinnerte, die er von Franz Müntefering erhalten hatte als er gerade erst Landesvorsitzender geworden war.
Geschichtlich wurde es mit Otwin Balsers Vortrag zu den Wahlergebnissen in der Gießener und Wetzlarer Region seit 1871. Einen besonderen Fokus legte er dabei natürlich auf die SPD. Beeindruckend zu sehen: die Wettenberger Ortsteile waren seit jeher rot. Selbst bei der letzten freien Wahl 1932 erreichte die NSDAP in den meisten Wettenberger Ortsteilen bei weitem nicht die Ergebnisse, die sie in anderen Orten erreichte. Ein Beispiel aus Wißmar, auf das man stolz sein kann: nie hat es die NSDAP dort in einer freien Kommunalwahl geschafft, einen Sitz zu erringen. Aber Otwin Baslers Analysen zeigen auch dass bereits lange vor der Nazi-Dikatur antisemitische Parteien starke Unterstützung in den Kreisen Wetzlar und Gießen erfuhren. Nur schwer vorstellbar, wie es den doch zahlreichen roten Wettenbergerinnen und Wettenbergern in dieser Zeit gegangen sein muss. 1933 schließlich fiel die Dunkelheit auch über die Wettenberg Dörfer. Beklemmend geschildert im Protokollbuch des Ortsvereins Krofdorf-Gleiberg. Den Eintrag verlas Gerhard Schmidt im Rahmen der Übergabe des Buches an Ralf Volgmann. Er beschreibt den durch die Nazis herrschenden Terror, die Verhaftung von Sozialdemokraten und Kommunisten und das Verderben, das sich über das Land senkte. Es folgen 12 leere Seiten und schließlich der nächste Eintrag am 10. Mai 1945, zwei Tage nach Kriegsende. In einem Versteck hat das Protokollbuch den Krieg überdauert und ist heute eine eindrucksvolle Mahnung, aber auch Erinnerung an Geschichte und Auftrag der SPD.
"Geschichte und Auftrag der SPD", diesen Aspekt griff auch Franz Müntefering in seiner Festrede auf. Mit persönlichen Anekdoten und scharfem Blick erinnerte er daran, dass auch in Deutschland gesellschaftlicher Fortschritt und Aufklärung hart erkämpft werden mussten. Zwei Ziele, auf die das Handeln der Sozialdemokratie seit jeher ausgerichtet gewesen sei, egal, wie sehr andere behaupteten, dass es nicht möglich oder erstrebenswert wäre. Sei es der noch andauernde Kampf um Gleichberechtigung oder für eine humane Flüchtlingspolitik. Wie sehr Franz Müntefering mit seiner Rede den Nerv der Anwesenden getroffen hatte, bezeugten mehrmalige Unterbrechungen durch Applaus.
Mit einem Aufruf zur Teilnahme an der Kommunalwahl am 6. März durch Matthias Körner endete der Festakt zu 3×110 Jahren SPD Wettenberg. Der Ortsverein bedankt sich herzlich bei der Brass Band Wettenberg, den Fotofreunden Krofdorf-Gleiberg sowie dem Team der Turnhallengaststätte für die Unterstützung.